Die Geschichte der Nebenbahn
Göppingen - Boll Kapitel 1: Planungen.
von Michael Ott
Mächtig stolz war man schon, als am 1. Juli 1926 nach rund 27 Jähriger
(!) Planungsdauer und heftiger Diskussionen der erste Dampfzug, angeführt
von der Lok 94114, in Boll einfuhr. Blumengirlanden, wehende Fahnen,
Blaskapellen, Böllerschüsse und viel festlich gekleidetes Publikum bildeten
unter tiefblauen Himmel einen glanzvollen Namen. Die Freude war überaus
verständlich, wenn man bedenkt, unter welch schwieriger Zeit der Bahnbau
geleistet wurde. Doch drehen wir das Rad zurück auf das Jahr 1899.
Erste Planungen zum Bau einer Eisenbahn von der Oberamtsstadt Göppingen
zur Gemeinde Boll wurden in diesem Jahr durch den Boller Bezirksnotar Huber
in Angriff genommen. Die vorgeschlagene Trasse sollte von Göppingen
filstalabwärts bis Faurndau , dann über Jebenhausen, Bezgenriet, Hattenhofen
und Bad Boll bis Boll geführt werden. Nach Erlass des Württembergischen
Nebenbahngesetz , das zur Entlastung des Staatshaushaltes den Nebenbahnbau
unter privater Regie genehmigte, empfahlen die betreffenden Gemeinden diese
Linie von der damals neugegründeten Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft
(WEG) bauen zu lassen. Dabei stand jedoch weniger eine Stichbahn, sondern
eine weiterführende Strecke von Boll über Zell u.a. nach Weilheim zur
bereits existierender Bahnverbindung über Kirchheim nach Wendlingen ins
Neckartal zur Debatte. Überdies machte sich die Gemeinde Hattenhofen für
einen eigenen Bahnhof stark. In einem Protokoll vom 4.3.1900 ist die
Kostenverteilung für die Planungsarbeiten wie folgt festgehalten: Bezgenriet
12 % , Hattenhofen 25 %, Dürnau 6 %, Boll 24 %, Aichelberg 6 % und Zell 18%.
Noch im selben Jahr gelangte ein Vorschlag von Holzheim an die
Öffentlichkeit, nach dem die Planungskosten im Ablehnungsfalle zu je einem
Viertel auf die Gemeinden Holzheim, Schlat, Eschenbach und Heiningen
aufgeteilt sollen, womit erstmals die tatsächlich realisierte Linienführung
hervortrat. Da der Bahnhof von Schlat aber rund 3 Kilometer vom Ort entfernt
bei Ursenwang entstehen sollte, wollte diese Gemeinde nur 1/8 des Geldes
aufbringen
Im Frühjahr 1901 bildete sich auf Anregen des Boller Schultheisen Pflüger
ein Eisenbahnkomitee, das sich zur Aufgabe machte , mit der Regierung in
Verhandlung zu treten. Pflüger handelte damals auch im Auftrag der
Nachbargemeinden. Die Ausarbeitung des Nebenbahnprojektes Göppingen-Boll
wurde schließlich 1902 vorn Regierungsbaumeister Wallersteiner geleistet,
wobei die Realisierungschancen als Staatsbahnstrecke gleich Null waren .
Dabei erwiesen sich Verhandlungen mit der WEG als Erfolg versprechender,
welche bereits ein Jahr zuvor vom Königlichen Ministerium für Auswärtige
Angelegenheiten zur Ausführung von Vorarbeiten ermächtigt worden war. Im Mai
1904 konnten den beteiligten Gemeinden erste Pläne und einen
Kostenvoranschlag mit einer Gesamthöhe von 1.137.000 DM vorgelegt werden.,
wobei weitgehende Übereinstimmung erzielt werden konnte. Was so problemlos
zu laufen schien, bekam jedoch 1904 einen Dämpfer: ein von der WEG
formuliertes Konzessionsgesuch wurde abgelehnt. Darauf hin legten die Stände
einen Baukreditgesetzentwurf für die Periode 1907/1908 vor, der die
Fortsetzung der Bahn Kirchheim-Weilheim bis Boll berücksichtigte. Die
folgenden , ernsthaften Verhandlungen scheiterten aber diesmal an der
ablehnenden Haltung der Stadt Weilheim Das Projekt ruhte abermals.
Erst nach 1910 kam von Göppinger Seite wieder Leben in die Sache: Die
Ablehnung des Konzessionsgesuches 1904 begründete das Ministerium mit einer
zu kostspieligen und schwierigen Einführung der Boller Bahn in den Bahnhof
Göppingen.
Die seit 1907 in Bau befindliche Strecke Göppingen-Schwäbisch-Gmünd sowie
das gestiegene Verkehrsaufkommen auf der Filstalbahn machte einen
Erweiterung bzw. Einen Umbau dieses Durchgangsbahnhofes dringend notwendig-
eine Chance die Boiler Bahn miteinzubeziehen. Der Göppinger Bürgermeister
Dr. Keck nahm die Angelegenheit nun selbst in die Hand und verfasste 1912
eine Denkschrift, die erstmals genauere Angaben über das zu erwartende
Verkehrsaufkommen erhielt.
weiter mit [Edition 2:
1912 Expose von Dr. Keck] |
Geschichte
im Detail
verfasst von Michael Ott
Mit Engagement und Akribie befasste sich Michael Ott mit der Geschichte
der Boller Bahn.
Die folgenden Aufsätze geben ein umfassendes Bild der Entwicklung von der
ersten
Planung bis zur vorläufigen Stilllegung im Jahr 1989
Edition 1
Die Planungsphase seit 1899
Edition 2
1912 Expose von Dr. Keck
Edition 3
Das Endstadium der Planung
Edition 4
1926
Streckenbeschreibung
Edition 5
Die Eröffnung 1926
Edition 6
Fünf Jahrzehnte
Betriebsalltag
Edition 7
Auf dem Weg zur Stilllegung
Edition 8
Vorläufiger Abschied
Edition 9
Tourismus und Sonderzüge
Edition 10
Bahnhöfe und Gleisanschlüsse
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